Teurer Sieg1 der Inkasso-Branche !
Viele Medien haben darüber bereits berichteti. Die Schweizerische Inkasso Agentur ist mit ihrer Beschwerde ans Bundesgericht mit wehenden Fahnen untergegangen. Mit Urteil vom 16. Januar 20153 hat das Bundesgericht seine langjährige Rechtsprechung scheinbar zu Ungunsten der Inkassofirmen geändert. Der Betriebene kann nun auch nach Erhebung des Rechtsvorschlages jederzeit die betreibende Gläubigerin auf Löschung der Betreibung verklagen. Dabei muss er neu nicht mehr konkret darlegen, dass sein wirtschaftlicher Ruf durch den entsprechenden Betreibungsregistereintrag verschlechtert wird. Eine Lockerung zu Gunsten des Schuldners? Der erste Eindruck trügt. Denn in der stillen Kammer der Gerichte urteilen die Richter oft ohne die Konsequenzen ihres Entscheids auf die wirtschaftliche Praxis zu berücksichtigen. Obwohl der durch diese Lockerung erreichte Zweck, den Schuldner vor ungerechtfertigten Betreibungen zu schützen, durchaus ehrenswert ist, betrifft dieser Entscheid eine verschwindend kleine Anzahl Personen. 2009 wurden 2'530’000 Zahlungsbefehle zugestellt. In den 3 Jahren danach sind sie jährlich um durchschnittlich 66'000 auf 2.73 Mio. angestiegen4. Jährlich wurden 2.2 Milliarden Franken an Verlusten erfasst. Betreibungen ohne Rechtsgrund, die gerichtlich angefochten werden könnten, machen nach übereinstimmender Aussage der meisten Betreibungsämter gerade mal 0.1 Promille (!) aller Zahlungsbefehle aus. „Weit über eine Milliarde Franken muss der Staat jedes Jahr wegen Steuerverlusten abschreiben“. So betitelt der Beobachter seinen letztes Jahr publizierten Artikel5. Weiter wird berichtet, dass „übers ganze Land jedes Jahr rund ein Prozent der Steuern als uneinbringlich abgeschrieben würden. Das sind rund 1.3 Milliarden Franken“. Mit dem Hauptargument, dass das Bundesgericht bisher strenge Voraussetzungen an die Zulässigkeit einer Klage (ordentliche negative Feststellungsklage) auf Löschung der Betreibung stellte und deshalb ein Betriebener fast nie damit durchkam, reichte Ständerat Abate6 eine parlamentarischen Initiative ein. Diese wurde von den Rechtskommissionen durchgewunken und mündete in einen Gesetzvorschlag. Darin ist unter anderem eine markante Einschränkung des Einsichtsrechts Dritter in den Betreibungsregistern vorgesehen.ii Auf diese gesetzgeberischen Bestrebungen weist das Bundesgericht in seinem Urteil ausdrücklich hin. Es übernimmt mit ähnlicher Argumentation den anvisierten Zweck (vgl. Erwägungen 2.6.2 und 2.7 des bundesgerichtlichen Urteils vom 16.1.2015). Im Ergebnis wägt es die berechtigten Interessen des Gläubigers mit denen des Schuldners angemessen ab. Dieses Urteil erfüllt bereits den Hauptzweck des Gesetzesvorschlags. Das Bundesgericht begräbt somit das Hauptargument der Initianten (der ähnlichen Meinung ist auch die NZZ). Die bisher strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine negative Feststellungsklage entfallen, weil alle Gerichte nun ohne Prüfung dieser Voraussetzungen ohne weiteres darauf eintreten können. Mit welchen praktischen Auswirkungen auf den wirtschaftlichen und gerichtlichen Alltag? Diese Frage hat sich das Bundesgericht überhaupt nicht gestellt. An dieser Stelle sind beispielhaft nur einige zu nennen:
Wie viele von solchen Klagen werden in Zukunft die Gerichte beschäftigen?
Ganz nach dem Motto „den Letzten beissen die Hunde“ bleiben der Schuldner und der Steuerzahler auf den Kosten sitzen. Wirtschaftlich Schwächere trifft dieses Urteil umso härter. Enrico K. Zingg7
1 http://de.wikipedia.org/wiki/Pyrrhussieg
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